Der dezente Charme des Ungewissen

Manche Fallen im Geschäftsleben sind offensichtlich. Bei Umsatzsteuer und Gewerbesteuer jedoch kann es auch hinterrücks und zudem unerwartet teuer werden.

Unter den diversen Steuerarten zählen Umsatzsteuer und Gewerbesteuer zu den am stärksten gefürchteten Veranlagungen. Nicht nur wegen unangekündigter Betriebsprüfungen, wie der Umsatzsteuernachschau. Auch nicht, weil bei der Umsatzsteuer selbst kleine Fehler in Eingangsrechnungen den Vorsteuerabzug kosten können. Oder die Gewerbesteuer offenbar nur die Tendenz „steigend“ kennt.

Was Umsatzsteuer und Gewerbesteuer vielmehr eint, ist etwas anderes: die Unsicherheit darüber, ob oder in welcher Höhe die Steuer überhaupt anfällt. Gewissheit erlangen Unternehmer über beides oft erst, wenn es zu spät für steuerliche Gestaltung ist – dann wird es rasch teuer. In mancherlei Hinsicht sind Umsatzsteuer und Gewerbesteuer Reiche des Ungewissen. Unternehmer sollten mit Hilfe des Steuerberaters regelmäßig klären, mit welchem Risiko sie es individuell zu tun haben. Nur so können sie es umgehen oder wenigstens einkalkulieren.

Umsatzsteuer ist komplizierter, als es scheint

Bei der Umsatzsteuer scheint die steuerliche Veranlagung an sich zunächst unkompliziert. Existenzgründer oder nebenberuflich tätige Selbständige können sich frei entscheiden, ob sie von der Kleinunternehmerregegelung Gebrauch machen. Sofern sie nur geringe Umsätze vereinnahmen, sind sie dann von der Umsatzsteuer befreit.

Die Entscheidung dafür oder dagegen sollten Sie sorgfältig abwägen. Faustregel: Lohnen kann sich die Ausnahmeregelung bei der Umsatzsteuer, wenn die Kunden überwiegend Privatleute sind. Selbständige, die mehr für Geschäftskunden tätig sind, vergeben sich dagegen vor allem die Möglichkeit, Vorsteuer auf betrieblich angeschaffte Wirtschaftsgüter anzusetzen. Der Umsatzsteuerpflicht nachzukommen, kann sich für sie also auch bei geringen Umsätzen lohnen. Hier sind vergleichsweise wenige Fallen zu umrunden. Trickreich wird es bei der Frage, zu welchem Satz oder welchen Sätzen Unternehmer ihre Leistungen oder Produkte in Rechnung stellen müssen. Hier laufen Unternehmer meist unerwartet in die Falle, weil die Regeln hierfür nicht nur kompliziert und unlogisch sind, sondern dazu noch umstritten – und in Bewegung.

Steuersätze in der Umsatzsteuer – das ist Steuer-Hochreck

Ob bei der Umsatzsteuer der geminderte oder reguläre Satz gilt, das ist selbst in klar scheinenden Fällen – bei denen es sich nach der Berufsgruppe und deren Tätigkeit richtet – nicht immer eindeutig. Beispiel Journalisten: Sind diese selbstständig tätig, machen sie für ihre Tätigkeit den im Bereich Presse üblichen reduzierten Satz von sieben Prozent geltend: für sämtliche journalistischen Leistungen, im Bereich Recherche und Texterstellung ebenso wie für redaktionelle Dienstleistungen. Das gilt durchaus auch, wenn der Journalist an Unternehmen außerhalb des Verlags- oder Rundfunkbereichs liefert. Soweit, so einfach. Aber – und nun wird es komplex: Manche Leistungen von Journalisten in Redaktionen betrifft das nicht – selbst wenn sie die Leistung für ein astreines Medienunternehmen erbringen. Journalisten, die lediglich Content verwalten, aber keine journalistische Eigenleistung erbringen, müssen statt der sieben die 19 Prozent ansetzen. Maßgeblich ist – abseits eigentlicher Steuerfragen – wohl das Urheberrecht. Am besten, die Steuerfachleute fragen – in Ihrer Kammer oder Ihrem Verband oder auch Ihrer Steuerberatungskanzlei.

Regelsatz ist Regelsatz

Auch in anderen Bereichen ist nicht immer ganz eindeutig, welcher Umsatzsteuersatz für den Unternehmer denn nun greift, etwa bei Fahrschulen. Die sind nicht wie Bildungsträger von der Umsatzsteuer befreit, urteilte der Bundesfinanzhof. Dem Urteil zufolge müssen Fahrschulen auf ihre Leistungen den vollen Umsatzsteuersatz geltend machen. Befreit sind weiterhin nur Universitäten und Hochschulen, wie der in der Frage angerufene Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden hat. Auch Betreiber von Freizeitparks können nicht – wie der ihnen verwandte Bereich der fahrenden Schausteller – den geminderten Satz ansetzen, sondern müssen die vollen 19 Prozent Umsatzsteuer über das Eintrittsgeld erwirtschaften. Der geminderte Satz ist an sich Ausnahme, nicht Regel. Er wurde eingeführt, um „bestimmte Güter des lebensnotwendigen Bedarfs aus sozialpolitischen Gründen zu verbilligen“, wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags erklärt.

Einzelfälle und Ausnahmen bestätigen die USt-Regel

Unternehmer können im Streitfall über die Umsatzsteuer durchaus Glück haben. So gestand der Bundesfinanzhof einem Bauunternehmer, der ausschließlich Hauswasseranschlüsse legt, höchstrichterlich sieben Prozent Umsatzsteuer zu – genau wie den eigentlich berechtigten Wasserversorgungsunternehmen. Auch selbständige Kameraleute dürfen den geminderten Umsatzsteuersatz ansetzen, verfügte das niedersächsische Landesamt für Steuern. Für Kameraleute bei öffentlich-rechtlichen Sendern ist das günstig: Ihnen verschafft das Urteil praktisch Honorarerhöhung, da öffentlich-rechtliche Sender die Umsatzsteuer nicht aufschlagen. Gesprächsbedarf mit dem Steuerberater haben vor allem Zulieferer privater Sender. Sie müssen Rechnungen nachträglich berichtigen. Immer und sowieso supersinnvoll ist eine etwas höhere Steuerrücklage als nötig. Zusatz-Rücklagen sollten Unternehmer insbesondere dann bilden, wenn für sie relevante Steuerfragen vor Gericht anhängig sind. So hat der Bundesfinanzhof einige vorinstanzliche Urteile gekippt mit der Entscheidung, dass Holzhackschnitzel dem vollen Steuersatz unterliegen.

Umsatzhöhe führt in die Gewerbesteuerfalle

Auch bei der Gewerbesteuer stehen einige teure Fallen offen herum – neben anderen Fallen allerdings, auf die Unternehmer so schnell nicht kommen. Einstellen können sich Unternehmer in der Regel recht gut auf das mittlerweile bekannte Risiko der Infektion ihrer Umsätze mit Gewerbesteuer aufgrund zusätzlicher gewerblicher Umsätze. Die Umsatzgrenzen, ab denen Gewerbesteuer alle Umsätze erfasst, haben Gerichte in den vergangenen Jahren auf niedrigem Niveau festgezurrt. Freiberufler, die nebenher also beispielsweise Zubehör zu einer freiberuflichen Dienstleistung zum Verkauf angeboten haben, lassen das seither vielleicht lieber sein. Ladeninhaber mit zwei Geschäften umgehen mit getrennten Kassen und Abläufen Probleme bei der Gewerbesteuer: etwa Postshops mit Schreibwarenabteilung oder Kiosk. Das Problem Gewerbesteuer sollten alle Unternehmer – auch Freiberufler – immer auf dem Schirm behalten.

Freiberufler mit Angestellten können in die Gewerbesteuerfalle laufen

Bei der Gewerbesteuer kommen immer neue Gründe und Sachverhalte hinzu, die auch Freiberufler in die Gewerbesteuerpflicht stolpern lassen – selbst ganz ohne gewerbliche Umsätze als erkennbare Gefahrenquelle. So urteilte der Bundesfinanzhof im Fall eines Prüfingenieurs, dessen Tätigkeit sei als gewerblich einzustufen, weil er Arbeit an nicht eigenverantwortlich tätige Angestellte delegiere. Die von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) angebotenen Haupt- und Abgasuntersuchungen bei Kraftfahrzeugen erledigten nicht die freiberuflichen Gesellschafter, sondern hauptsächlich drei bei ihnen angestellte Prüfingenieure, ebenfalls eigentlich Freiberufler. Klarer Fall dennoch nach Ansicht der Richter: Nur wenn der eigentlich als Freiberufler eingestufte Unternehmer selbst und eigenverantwortlich tätig sei, entgeht er der Gewerbesteuerpflicht. Berücksichtigen sollten das alle Freiberufler. Mit angestellten Freiberufler sind sie nicht auf der sicheren Seite – sei es der Yogalehrer, der so mehr Kurse anbietet, die Zahnärztin, die vor der Rente die junge Kollegin in der Familienphase einstellt – oder das Ehepaar, von denen einer in der gemeinsamen Kanzlei oder Designagentur festangestellt ist.

Dafür kommen manche Handwerker um die Gewerbesteuer herum

Selbst im Bereich Gewerbesteuer gibt es aber durchaus auch mal Positivüberraschungen: So stufte das Hessische Landesarbeitsgericht einen Restaurator als Freiberufler statt als Gewerbetreibenden ein. Sein Betrieb unterliegt wegen der wissenschaftlich-historischen Herangehensweise nicht dem für allgemeingültig erklärten Tarifvertrag für das Gewerbe. Auch braucht der Restaurator keine Auskünfte über den Verdienst seiner Beschäftigten zu geben und für sie keine Beiträge für Berufsausbildung und Zusatzrente aufzuwenden. Gewerbesteuer wird damit wohl dann ebenfalls nicht fällig. Das sollten Unternehmer aber immer im Einzelfall beim Steuerberater klären. Zumal die Richter die Revision beim Bundesarbeitsgericht zugelassen haben.

Unternehmer, die mit Blick auf Umsatzsteuer oder Gewerbesteuer gern Gewissheit haben wollen, können sich diese mit einem Antrag auf eine Verbindliche Auskunft verschaffen. Aber auch darüber sollten sie vorher gut nachdenken und vielleicht mit einem Fachmann oder einer Fachfrau sprechen. Denn auf Verbindlichkeit zu pochen, schafft manchmal auch Probleme, wo keine entstanden wären.

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